Montag, 27. August 2012

Nullnummer der Woche: Deutsche Dienstleistung im Einzelhandel.

Es soll ja Länder geben, in denen das Wort "Service" eine andere Bedeutung als in Deutschland hat. Da sollen Mitarbeiter Kunden freundlich begrüßen, auf individuelle Wünsche eingehen und dabei auch noch lächeln.
Aber nicht so in Deutschland. Hier wird "Service" nicht groß geschrieben, in den meisten Fällen steht er nicht einmal im Kleingedruckten. Aber wie genau äußert sich diese Serviceunbereitschaft und woher kommt sie eigentlich? Ist es erblich? Ist es ansteckend? Was kann man dagegen tun? Und gibts da auch was von ratiopharm?
Schlechter Service scheint sich hierzulande wie eine Pandemie auszubreiten. Heimtückisch schleicht er sich von hinten heran und schlägt zu, wenn man es am wenigsten erwartet. Und was noch viel schlimmer als schlechter Service ist, sind die Menschen, die sich schlechten Service gefallen lassen und nichts dagegen unternehmen. Jeder kennt diese Personen, die immer Ausreden für lausiges Verhalten von Verkäufern finden. Meist sind diese aber genauso glaubhaft wie Versprechen von Politikern. Ein Sack heißer Luft, der schick aussieht, aber anfängt zu lachen, wie das Pillsbury Teigmännchen, wenn man es in den Bauch stupst.
Aber seien wir mal ehrlich. Als zahlender (!) Kunde betritt man einen Laden. Wie man hier weiter behandelt wird, hängt tatsächlich davon ab, wie teuer die angepriesene Ware ist. Betritt man ein Geschäft wie H&M muss man damit rechnen, dass die hippen und coolen Verkäufer, die dort arbeiten, einen selber nicht wahrnehmen, denn man ist ja leider nicht so hip und cool wie dieses Personal. Aber Moment mal, Personal. Heisst das nicht, dass man Arbeitnehmer dafür bezahlt, eine gewisse Arbeit zu erledigen? Eigentlich schon. Eigentlich... Vielleicht liegt diese Arbeit aber auch darin, sich untereinander zu unterhalten und Kunden ab und an mit einem Satz abzufertigen. Diese Standardantwort wird Kunden in unregelmäßigen Abständen immer wieder entgegengebrummt. Klassische Konversation:

Kunde:
"Entschuldigen Sie, ich habe mal eine Frage. Wo finde ich bitte schwarze Pullover?"

Verkäufer:
(rollt eine Kleiderstange neben sich her und ruft ohne stehenzubleiben und zu gucken)
"Nur noch das, was da hängt! Da musst du mal gucken."*

Kunde:
"Nur noch das, was da hängt? Junge Dame, ich machte mir ja gerne ein Bild von  "nur noch das, was da hängt" wenn ich denn nur wüsste, wo ich suchen muss. Und: Dürfte ich Ihnen vielleicht das "Sie" anbieten?"

*(Auf die Problematik des Duzens wird in einem späteren Artikel nochmal eingegangen. Nicht, dass Sie jetzt dächten, dass wir so etwas tolerieren. Nein! Aaaaber nicht mit uns.)

Aber da ist es auch schon zu spät. Die Verkäuferin ist flink zwischen dem umfangreichen Sortiment verschwunden. Frust steigt auf. Mordgelüste werden geweckt. Man ärgert sich. Kurz: Man wird zum Hulk.
Eine andere Art, die Kunden zu behandeln, ist die schiere Arroganz. In hochpreisigeren Geschäften wie Mäntelhaus Kaiser (wo ein schwarzer Pullover auch gerne mal 260 Euro kosten darf) geht man ganz anders mit Kunden um. Das geschulte Personal kann nämlich mit treffender Genauigkeit einschätzen, wer zur Kundschaft mit dem nötigen Kapital gehört. Nicht.
Wir haben exklusiv den Test gemacht. Erscheint man in einem legeren Outfit bestehend aus Jeans, einem schlichten Pullover, einem Tragebeutel, Turnschuhen, ohne Make Up und einem "hatte-ich-heute-morgen-mal-keine-Lust-meine-Haare-kunstvoll-aufzudrehen-Knoten", so wird man automatisch in die Kategorie "zahlungsunfähig" eingestuft. Toll, wie schnell das funktioniert. Man wird von oben bis unten und wieder zurück gemustert und da man optisch nicht dem gängigen betuchten Kundenkreis entspricht, kann man folglich auch gar kein Geld besitzen. Klingt total logisch, oder? Zum Glück leben wir ja in einer Welt, in der man einen Menschen super nach seinem Äußeren beurteilen und dann gleich den korrekten Eindruck haben kann. Auf dieser Logik basierend wird man mit Absatzschuhen, einer schicken Hose mit einem fein darauf abgestimmten Seidenoberteil und einer Longchamp Tasche gleich ganz anders begrüßt. Ob man denn Hilfe bräuchte, ob man sich die neue Kollektion angucken möchte, ob man etwas zu trinken haben möchte...
Da Deutsche ja gerne auf eine Argumentation zurückgreifen, die sich mit Ereignissen beschäftigt, die ca. 80 Jahre in der Vergangenheit liegen, dachten wir, dass wir vielleicht hier einen Erklärungsansatz finden könnten. Es lässt sich ja sonst so vieles mit dieser Zeit legitimieren. Es wäre einen Versuch wert.
Wir fragen uns, woher diese Art von schlechtem Service herrührt. Schliesslich brachten ja die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg auch Teile ihrer Kulturen mit. Davon scheint aber nicht mehr viel übrig geblieben zu sein. Servicebereitschaft, wie man es aus Amerika kennt, scheint auf deutschem Boden ausgestorben zu sein und das einzige, was von dem amerikanischen Einfluss noch übriggeblieben ist, sind Kindernamen wie "Jason", "Kevin", "Mandy" "Jessica" und "Jaden" (aber auch das ist ein anderes Thema). Eine befriedigende, alles erklärende und richtige Antwort zu finden, scheint unmöglich.
Aber eine gewagte Theorie ließe sich hier äußern:
Die Problematik des schlechten Services setzt sich aus vielen Faktoren zusammen. Ständiger Personalwechsel, Löhne, die dem Personal nicht abverlangen können, neben erscheinen zur Arbeit auch noch freundlich zu sein. Aber auch das Bildungsniveau und die persönliche Einstellung zu anderen Menschen spielen eine Rolle. Warum also soll jemand, der 6,13 Euro die Stunde verdient, auch noch gute Laune verbreiten? Bei einem solchen Stundenlohn reicht es gerade einmal, halbwegs pünktlich bei der Arbeit anzukommen. Das Problem scheint auch zu sein, dass man auch mit Unfreundlichkeit das gleiche Ziel wie mit Freundlichkeit erreicht. Für viele Menschen scheint es über die persönlichen Grenzen des Machbaren hinauszugehen, freundlich zu sein.
Wo früher Tadel vom Chef verteilt wurde, wird heute auf Managementebene nicht einmal mehr mit der Wimper gezuckt. Warum muss man sich also anstrengen, freundlich, nett und zuvorkommend zu sein, wenn es mit Unfreundlichkeit und Ignoranz auch funktioniert? Vor wem muss man hier Rechenschaft ablegen? Richtig, vor niemandem. Auch wird der Verkäufer immer mehr zum austauschbaren Objekt und das Management scheint hier keine klaren Ansprüche mehr an das Personal zu stellen. Die Kunden kaufen die Ware. Egal, was passiert. Schade eigentlich. Wie Sie sehen, es gibt viele Ansätze, aber keine befriedigende Lösung.
Wie schon am Anfang erwähnt, ist nicht nur der dürftige Service hier ein Problem, sondern auch die Unbereitschaft der Kunden, sich über einen solchen auf Geschäftsführungsebene zu beschweren. Ist ja auch viel einfacher, einen muffeligen Verkäufer hinzunehmen und sich hinterher zu sagen "naja, auch der hat bestimmt mal einen schlechten Tag", als zum Telefon zu greifen und für das einzustehen, was man denkt. Macht man sich als Kunde aber doch diese Mehrarbeit, ist das Management plötzlich extrem einsichtig und entschuldigungsbereit. Aber trotzdem scheint es auf lange Sicht gesehen wenig zu verändern, denn der Anteil der Kunden, die sich tatsächlich beschweren, ist viel zu gering.

Wer also möchte, dass sich wirklich etwas ändert, der muss aktiv werden, sonst wird guter Geschmack eben weiterhin einsam machen.

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