Dienstag, 28. August 2012

Boah! Juhngä...! Von der Verwahrlosung der deutschen Sprache

Deutsche Sprache - schwere Sprache. So sagt der Volksmund. Doch der Mund des Volkes tendiert immer mehr dazu, diese schwere Sprache zu vergewaltigen. Aber warum passiert das immer wieder? Warum scheint die junge Generation nicht mehr in der Lage zu sein, sich vernünftig zu artikulieren? Werden wir einfach zu alt? Sind wir zu engstirnig? Wären wir in der Lage, in der Zeit zurückzureisen und beispielsweise Herrn von Goethe oder Herrn Schiller einen kurzen Besuch abzustatten - was sagten sie?
Sprache wird nicht nur von den Menschen, die sie sprechen, sondern von vielen anderen Faktoren geprägt. Bildung und der Einfluss anderer Kulturen sind genauso ausschlaggebend wie Modewörter. Natürlich sprechen wir heute nicht mehr wie noch vor 100 Jahren. Ja, selbst das Vokabular unserer Eltern erscheint uns heute veraltet. Und die sind selten älter als ein Jahrhundert. Fakt ist, dass unsere Eltern die Hände über ihren Köpfen zusammenschlagen, wenn sie uns in unserer natürlichen Umgebung reden hören. Aber warum? Immerhin lehrten uns unsere Eltern das Sprechen. Mal mehr, mal weniger.
Uns persönlich kräuseln sich die Nackenhaare, wenn wir im öffentlichen Nahverkehr unterwegs sind. Gruppen junger Menschen erfreuen und erschrecken uns gleichermaßen täglich aufs Neue mit völlig neuen Formen von Satzbau, Wörtern und Aussprache. Ausdrücke aus fremden Sprachen werden gerne eingebaut und von vielen übernommen, ohne konkret zu wissen, was sie eigentlich bedeuten. Sie setzen sich dem Hohn und Spott der Bevölkerung aus. Moment mal, Hohn und Spott? Wohl eher nicht, denn das durchschnittliche Niveau befindet sich unserer Meinung nach auf einem neuen Tiefpunkt. Auf einem epischen Tiefpunkt.
Niemandem scheint es mehr etwas auszumachen, zu den Taxis zu gehen, sich auf Globussen nach neuen Reisezielen umzuschauen, im Rastaurant einen Schanti mit Expressos zu bestellen, bei akutem Krankheitsbild Antibiotekas einzunehmen oder auf ganze Satzteile wie Präpositionen und Artikel zu verzichten.
Neulich saßen wir wieder einmal neben so einem mitteilungbedürftigem Menschen in der U-Bahn, der lauthals (und schon alleine das ist eine Beleidigung für die Ohren) verkündete "Isch bin Bahn.". Lassen wir uns diesen kläglichen Versuch eines Satzes mal auf der Zunge zergehen. Sehen wir auch von der Unfähigkeit ab, ein "ch" auch wie ein "ch" aussprechen zu können.
"Ich bin Bahn." Vermutlich sollte die korrekte Satzform einige Mehrinformationen wie ein Verb, eine Präposition und einen Artikel enthalten. So unsere Vermutung. Aber läuft hier eine völlig neue Form der Kommunikation ab? Sind moderne Minderjährige in der Lage, Gedanken zu lesen und zu wissen, ob die Person am anderen Ende in der (!) Bahn sitzt, steht, liegt, tanzt, schreit, schläft oder gar pinkelt? Doch was soll man auch erwarten, wenn die Bild-Zeitung mit Schlagzeilen wie "Wir sind Papst!" aufwartet, circa 12,5 Millionen Menschen dieses verinnerlichen und das Ganze somit in die Annalen der deutschen Geschichte eingeht und gleichzeitig den täglichen Sprachgebrauch verändert. Wir schreiben hier nicht einem einzelnen Blatt die Schuld in die Schuhe, aber wer so viele Leser erreicht, sollte sich seiner Verantwortung durchaus bewusst sein. Vielleicht ist das Ganze aber auch Teil eines perfiden Plans, besonders viele Bauern für die nächste Schachpartie zu haben. Doch diese fallen, wie man nicht erst seit Magneto weiß, als Erstes.
Auch Anglizsmien stehen ganz oben auf unserer Hassliste. Nicht, dass andere Sprachen nicht respektabel wären, nein, es ist vielmehr der falsche Gebrauch dieser fremden Wörter. Sportereignisse mit Gleichgesinnten auf einer grossen Leinwand auf einem öffentlichen Platz anzuschauen wird gerne als "public viewing" bezeichnet. Einzeln übersetzt scheinen diese Wörter auch den Sinn widerzuspiegeln. "Public" wird mit "öffentlich" und "viewing" mit "sehen" übersetzt. Also der Aussage nach ein "öffentliches Sehen". Nicht. Die korrekte Übersetzung aus dem Englischen wäre an dieser Stelle "öffentliche Aufbahrung". Richtig gelesen. Hier ist das (an sich schon fragwürdige) Anschauen von nicht mehr lebenden Personen gemeint. Und das kann ja wohl kaum der Zweck dieses Zusammenkommens sein, oder?
Auch diese großartigen und hippen Taschen-Rucksäcke, die von hinten wie ein Turnbeutel aussehen, vorne ganz flott mit nur einem Gurt vor die Brust geschnallt werden, vor einigen Jahren noch so unglaublich angesagt waren und hierzulande als "bodybags" angepriesen wurden, haben eine völlig andere Bedeutung. Es sind schlicht Leichensäcke. Genau, diese feschen schwarzen Säcke, in denen tote Menschen vom Tatort zu Boerne in die Pathologie transportiert werden.
Also Obacht bei der nächsten Konversation.
Doch nicht nur die gesprochene, sondern auch die geschriebene Sprache ist vor einer solchen Schändung nicht gefeit. Vorbild hier ist wie sooft die englische Sprache. Der Eigenname der Firma McDonald's wird zwar mit einem Apostroph geschrieben, aber auch nur, weil das im Englischen Sinn ergibt und grammatikalisch fehlerfrei ist. Das heisst aber nicht, dass das fastfoodgeschädigte Gehirn das ins Deutsche übertragen kann. "Wie geht's denn so?" ist schlicht falsch und sieht komisch aus. Zumindest für das geschulte und sich kümmernde Auge. Wenn wir Menschen fragen, warum sie ein Apostoph an einer Stelle verwenden, wo eigentlich nur ein leerer Raum sein sollte erhalten wird nicht selten die Antwort "Weil das ist eben so...". Aha. Hier liegt also nicht nur eine Zeichensetzungsschwäche vor, sondern auch gleich noch ein massives Satzbauproblem. Wo fangen wir da bloß an? Nach langem Überlegen und in Betracht ziehen, die Freundschaft zu kündigen, kommen wir zum Schluss, dass jeder eine zweite Chance verdient und fragen nach DEM deutschen Humoristen, der wie kein zweiter Formulierungen schrieb und das deutsche Bildungsbürgertum prägte. Bernhard-Victor Christoph Carl von Bülow, besser bekannt als Loriot.

EM:
"Schonmal den Namen Loriot mit den Feinheiten der deutschen Formulierungskunst in Verbindung gebracht?"

OUPDADFGW (offensichtlich ungebildete Person, die aus dem Freundeskreis gestrichen wurde)
"Häääh? Kenn ich nicht."

EM:
Danke. Tschüß.

So einfach könnte es sein, wenn Menschen konsequent wären. Sind sie aber nicht und deswegen macht guter Geschmack eben weiterhin einsam.

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